Das Landschaftsbild an der Weichsel wurde stark durch Kopfweiden und Flechtzäune aus Weidenruten geprägt.
Zum Einsatz kamen dabei Silberweide (salix alba) und Korbweide (salix viminalis).
Das Verhältnis der Niedrunger zu ihren Weiden zeigt anschaulich, wie gut sich die Bewohner der Weichselniederung an ihre Umgebung und die verfügbaren natürlichen Ressourcen anpassten.
Weidenzäune und Kopfweiden - Foto: Jutta Dennerlein, 2001
Weiden haben einen hohen Wasserbedarf. Sie wachsen deshalb gerne in Flussniederungen und Feuchtgebieten. Zeitweise Überschwemmungen und darauf folgende lange Trockenheit machen ihnen nichts aus. Diese Anpassungsfähigkeit zeigen neben der Weide nur noch Schwarzpappel (populus nigra) und Erle (alnus glutinosa).
Die Siedler machten sich den großen Wasserbedarf der Weiden zunutze, da die vielen von ihnen angepflanzten Weiden durch ihre starke Verdunstung zur Entwässerung der Flussniederung nach Überschwemmungen beitrugen.
Die Blütenpollen der Weiden waren im zeitigen Frühjahr die erste Nahrung für die von den meisten Siedlern gehaltenen Bienen.
Die Rinde der Weiden war lange schon als fiebersenkendes und schmerzstillendes Mittel bekannt. Ihr Wirkstoff Acetylsalicylsäure wird seit mehr als 100 Jahren synthetisch hergestellt (besser bekannt unter dem Warenzeichen Aspirin).
Alte Kopfweiden - Foto: Jutta Dennerlein, 2005
Weidenbäume und die zu der gleichen Familie gehörenden Pappeln wurden zwischen Niedrunger Häusern und Weichsel angepflanzt, um die Häuser im Frühjahr vor den treibenden Eisschollen auf der über die Ufer getretenen Weichsel zu schützen.
Adolf Eichler schreibt [1]: "Als besonderes Merkzeichen der deutschen Weichseldörfer gelten die "Hocke", Zäune aus Weidengeflecht, die nicht nur jeden Hof umgeben, sondern jede Wirtschaft in mehrere Teile zerlegen. Weidenreihen ziehen sich an den geflochtenen Strauchzäunen entlang."
Diese Weidenreihen wurden von Kopfweiden gebildet.
Alter Weidenzaun - Foto: Jutta Dennerlein, 2006
Kopfweiden entstehen aus Weiden, deren Stamm in erreichbarer Höhe gekappt wurde und deren neue Triebe alle 2-3 Jahre zurück geschnitten werden.
Nach einiger Zeit verdickt sich der Stamm an der Stelle, an der die Weidenruten immer wieder abgeschnitten wurden und die typische Kopfform entsteht.
Kopfweiden - Foto: Jutta Dennerlein, 2006
Der Kopf alter Weiden bildet manchmal eine eigene kleine Welt. Lebensraum für spezialisierte Pflanzen und kleine Tiere.
Die Weidenruten fanden Verwendung beim flechten von Haushaltsgeräten, Möbeln, Zäunen und auch beim Hausbau (Fachwerk). Je nach geplanter Verwendung konnten die Weidenruten älter oder jünger geerntet werden.
Weidenruten - Foto: Jutta Dennerlein, 2006
Wird eine Kopfweide nicht mehr zurück geschnitten, bildet sie dicke Äste aus, die durch ihr Gewicht und die dann ungünstige Statik des Baumes den Stamm spalten. Die Weide stirbt dann ab.
Alte Kopfweide - Foto: Jutta Dennerlein, 2005
Ein Weiden Flechtzaun entsteht, indem Pfosten aus dicken Weidenästen in regelmäßigem Abstand in den Boden gerammt werden. Weidenruten (manchmal auch kleine Bäume) werden wechselnd und überlappend um die Pfosten gewunden und von oben immer wieder dicht aneinander geschlagen.
Diese sehr dichten Zäune hielten auch kleinere Haustiere davon ab, das Nachbargrundstück zu besuchen.
Weidenzaun - Foto: Marcin Zamorski, 2004
Als Feldbegrenzung verwendet, bildeten die Weidenzäune auch einen Windschutz.
"Rezepte" für den Weidenzaunbau fordern das "bähen" der Weidenruten, d.h. das Erhitzen der Ruten über dem Feuer. Dies soll die Biegsamkeit und die Haltbarkeit der Zäune erhöhen.
Nach Aussage von Leuten, die in ihrer Jugend beim Bau dieser Zäune an der Weichsel mithelfen mussten, wurden aber einfach im Frühjahr die frischen und sehr biegsamen Weidenruten ohne bähen verwendet.
Weiden besitzen eine enorme Regenerationsfähigkeit. Es kam deshalb oft vor, dass die frisch geschlagenen und im Frühjahr gesetzten Zaunpfosten im feuchten Boden Wurzeln ausbildeten und kurz darauf zu treiben anfingen. Diese lebenden Zaunpfosten widerstanden natürlich dauerhaft der Verrottung und wurden jedes Jahr stabiler.
Kein Hightech Produkt aus dem Gartencenter kann das bieten.
[1] Adolf Eichler - Das Deutschtum in Kongresspolen, Stuttgart, 1921, S. 76