Breyers öffentliches Engagement wurde nach der
ersten Entlassung aus seiner Stellung an der Schule in Zgierz im Jahr
1925 - vielleicht mit Rücksicht auf seine Familie - deutlich
gebremst. Dennoch entwickelten sich in der darauf folgenden Zeit
in Sompolno, an einer Schule, die als ein Zentrum des Deutschtums galt,
die Kontakte zu den Posener Aktivisten um Alfred Lattermann und Dr.
Kurt Lück sowie dem Kattowitzer Aktivisten Viktor Kauder.
Diese Posener Aktivisten wurden im Jahr 1934 bereits
vollständig durch reichsdeutschen Einfluss gesteuert.
Wie aktuelle Forschungen belegen[1], wurden die Posener/Kattowitzer
Aktivisten vom Reich über Tarngesellschaften[2] finanziert. Ideologische und
wissenschaftliche Förderung erfolgte über die
Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaften (NOFG), die ihrerseits vom
Reichsministerium des Inneren und vom Auswärtigen Amt
getragen wurden. Ziel der 1933 begründeten NOFG, die sich
besonders mit Polen, den baltischen Ländern, Böhmen und
Skandinavien befasste, war es, "systematische Gegenpositionen zur
polnischen Wissenschaft zu entwickeln, deutsche Wissenschaftler im
Ausland anzuleiten und bewusstseinsbildend im Sinne der deutschen Ziele
und territorialen Ansprüche zu wirken."[3]
Die geheimen zentralen Kontakte für die NOFG in
Polen waren Alfred Lattermann in Posen und Viktor Kauder in Kattowitz.[4]
Wie Viktor Kauder schreibt, konnte die seit der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in Posen bestehende Historische
Gesellschaft für die Provinz Posen "von provinziell verengten
Aufgaben zur wissenschaftlichen Zentrale für das Deutschtum
in Polen ausgebaut werden"[5].
Der Kontakt zur Basis lief über die Lehrer, deutsch
orientierte Pastoren, die Ortsgruppen der Deutschen Vereinigung
und über die Genossenschaften. Organe der Posener Aktivisten waren
neben zahlreichen Einzelveröffentlichungen die Zeitschriften Deutsche
Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen und Deutsche
Monatshefte in Polen. Beide Zeitschriften wurden durch die NOFG
finanziert.[6]
Ziel und Aufgabe dieser Publikationen war es, die
Veröffentlichungen über das Deutschtum in Polen inhaltlich zu
steuern und konforme Darstellungen sowie deren Verbreitung zu
fördern. Gleichzeitig sollten abweichende Schriften durch
Rezensionen diskreditiert werden.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass
die reichsdeutschen Bemühungen, unter dem Begriff Ostforschung
zusammengefasst, ihr getreues Spiegelbild bald in der polnischen Westforschung
wiederfinden konnte. Ebenfalls unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg
entstanden, wurde auch hier dafür geforscht, den Charakter der
polnischen Westgrenze als vorläufig zu betrachten und eine
Grenzkorrektur - hier zugunsten Polens - anzustreben.
Arbeitsmittel war auch hier die Stärkung des
Nationalbewusstseins in den betroffenen Gebieten, die
Förderung polnischer Bildung, Kultur und Wirtschaft. Neben der neu
begründeten Universität in Posen als wissenschaftlichem
Zentrum, wurden die polnischen Aktivitäten durch den Verband
zur Verteidigung der westlichen Grenzmarken (Związek Obrony
Kresów Zachodnich, ZOKZ), später umbenannt in Polnischer
Westverband (Polski Związek Zachodni, PZZ), vorangetrieben[7].
Deutsche Ostforschung wie polnische Westforschung
waren gekennzeichnet durch einen ausgeprägten Mangel an
Differenzierung zwischen politischem Wunschdenken und
wissenschaftlicher Arbeit.
Das zweite Berufsverbot 1937 brachte Albert Breyer, der
ja eine 5-köpfige Familie ernähren musste, in
Existenznöte. Nach dem monatelangen und schließlich
erfolglosen Versuch, seinen Beruf weiter ausüben zu
können, war die Anstellung an dem seit 1934 von Dr. Kurt Lück
geleiteten Deutschen Büchereiverein in Posen die einzige
Möglichkeit seine Familie zu erhalten. Die Anstellung in Posen
bedeutete für den Idealisten Albert Breyer neben der
materiellen Abhängigkeit auch die völlige
organisatorische Einbindung in Aufgaben und Ziele dieser durch das
Reich gesteuerten wissenschaftlichen Zentrale in Posen.
Es ist nicht feststellbar, ob zu früheren
Zeitpunkten die streng geheim gehaltenen Verflechtungen der Lodzer
und Posener Aktivisten mit den reichsdeutschen Geldgebern für
Albert Breyer oder andere Heimatforscher durchschaubar waren. Zumindest
über die ideologische Ausrichtung der Gruppe um Viktor Kauder,
Alfred Lattermann und Dr. Kurt Lück konnte nach 1934 für
einen Insider dieses Kreises wenig Zweifel bestehen.
Über die Rolle des Deutscher
Büchereivereins in Posen mit Sitz in Posen, bei dem Breyer
angestellt wurde, sowie des Vereins deutscher Büchereien in
Polen mit Sitz in Kattowitz schreibt Viktor Kauder,
Geschäftsführer des Kattowitzer Vereins: "Dann aber fiel dem
deutschen Büchereiwesen die Aufgabe zu, in den Gebieten, wo
es kein Radio gab, die Gedankenwelt des Nationalsozialismus, wie
sie in den Werken der führenden Männer und in
erzählenden Büchern niedergelegt sind, dem deutschen
Menschen nahe zu bringen." [8]
Für die Näherbringung der Bücher wurden
nach Kauder alle verfügbaren Kanäle genutzt: Büchereien
wurden auf die evangelischen Pfarreien, auf die deutschen
Privatschulen, auf die Ortsgruppen der Deutschen Vereinigung
und auf die deutschen Genossenschaften verteilt. In Mittelpolen war die
Lage außerhalb von Lodz schwieriger; hier musste auf das Konzept
der Wanderbüchereien zurückgegriffen werden.
Die Darstellung Viktor Kauders lässt sowohl die
perfekte Organisation der Deutschtumsarbeit, wie auch die enge
Verflechtung von Kirche, Schule, Heimatverein und Genossenschaft
erahnen.
Die Produktivität Albert Breyers, gemessen an der
Zahl der Veröffentlichungen, war während seiner Zeit in
Posen erstaunlich hoch. Neben seinen heimatkundlichen Arbeiten
erschienen auch Rezensionen und Tagungsberichte aus seiner Feder.
Bemerkenswert ist in den Buchbesprechungen die Fairness, die Albert
Breyer den jeweiligen Autoren gegenüber zeigte. Im Gegensatz zu
den Buchbesprechungen seiner Posener Kollegen verzichtet Breyer
hier auf jegliche Polemik.
[1] Siehe
hierzu die Arbeiten von: Michal Burleigh (1988), Mechtild Rössler
(1990), Karen Schönwälder (1992), Michael Fahlbusch (1999).
Ältere DDR-Untersuchungen, wie die von Felix-Heinrich Gentzen
(1967) kamen bereits früher zu ganz ähnlichen Ergebnissen.
[2]
Genannt werden immer wieder die Ossa GmbH, die Ostsee GmbH und die
Vereinigten Finanzkontore. Quelle z.B.: Gentzen, 1967. Der Transfer von
Geldern erfolgte auch über die deutschen Konsulate in Posen und
Kattowitz; Burleigh, Michael (1988), S. 102