Ein Bestandsverzeichnis der meist evangelischen oder mennonitischen Friedhöfe ethnischer Deutscher in Polen ist nicht nur für die genealogische Forschung von Interesse.
Die Friedhöfe, einige erhaltene Bauernhäuser und die immer noch erkennbare Gliederung der Landschaft an der Weichsel, entstanden durch Jahrhunderte spezialisierter Bewirtschaftung, sind Zeugnisse der sogenannten Holländer Kolonisierung in Polen.
Diese Zeugnisse der in Polen einstmals stark ausgeprägten Kolonisten Tradition sind Belege für die multikulturelle Geschichte Polens. Sie repräsentieren aber auch einen Teil der wenigen erhaltenen Belege für das Kolonistenwesen in Europa.
Im normalerweise dicht besiedelten Europa entwickelte sich eine spezielle Form der Kolonisierung, die sich sehr stark von der Kolonisierung anderer Kontinente unterscheidet.
Kolonisierung in Europa erfolgte entweder als Besiedlung von durch Krieg entvölkerten Gebieten oder als Besiedlung von Gebieten, die aufgrund ihrer Umwelteigenheiten bislang als unbewohnbar galten.
Die Holländer Kolonisierung in Polen ist geprägt durch die zweite Kolonisierungsform.
In dieser Eigenschaft sind die Belege der Holländer Kolonisierung in Polen und somit auch die Friedhöfe Bestandteile eines gemeinsamen Europäischen Erbes, das die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums verdient.
Die Ausgangssituation
Viele der polnischen Dörfer mit ethnisch deutscher Bevölkerung hatten ihre eigenen Friedhöfe. Das Grundstück für den Friedhof wurde oftmals von einem der wohlhabenderen Bauern an die Kirchengemeinde gespendet. Manchmal war ein eigener Friedhof sogar so etwas wie ein Statussymbol für die Einwohner der Gemeinde. Es gibt deshalb weitaus mehr Friedhöfe als man aufgrund der Zahl der Mitglieder einer Gemeinde vermuten würde.
Historisch bedingt wurden die meisten dieser Friedhöfe in den letzten 60 Jahren nicht mehr gepflegt. Dementsprechend sind sie heute meist völlig zugewachsen und die Kennzeichnungen der Gräber sind weitgehend verschwunden. Dennoch ist es gerade diese "unbeachtete" neuere Vergangenheit der Friedhöfe, die diese zu einem gewissen Grade erhalten hat. In Deutschland wäre eine Grabstelle um die sich 60 Jahre niemand gekümmert hat längst ganz verschwunden oder neu belegt.
Die Vergessenheit in die diese alten Friedhöfe geraten sind, gefährdet sie allerdings auch.
"Unsachgemäße" Behandlung, wie etwa die Verwendung zur Müllablagerung oder Müllverbrennung zerstören sie und widersprechen ihrer Eigenart als Stätte des Gedenkens.
Auch besser erhaltene Friedhöfe, wie der von Płock verlieren durch altersbedingte Verfallserscheinungen ihren Charakter.
Friedhof Płock: Fels Gräber 1986 - Foto: J. Maciaszek, 1986
Einer Dokumentation dieser Friedhöfe, ihrer Standorte und ihres Zustands erschien deshalb als ein wünschenswertes Ziel.
Vielleicht können so erste Schritte für Erhaltungsmaßnahmen dieser verletzlichen Bestandteile eines multikulturellen polnischen Erbes vorbereitet werden.
Während wir nach evangelischen und menonitischen Friedhöfen suchten, fanden wir auch andere alte Friedhöfe. Einige von ihnen in einem ähnlich traurigen Zustand und fast vergessen. So wurde uns bald klar, dass unser Ziel, dieses kulturelle Erbe zu dokumentieren, nicht durch konfessionelle Grenzen eingeschränkt werden kann.
Von da an integrierten wir alle aufgefundenen, verlassenen Friedhöfe in unsere Dokumentationsarbeit.